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BRIEFE AN GALATEA
Über den Weg zum Kommunismus (ΙΙ) - Gottes neues Gesicht
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Wie schlecht muss ich meine Gedanken über die modernen Kundgebungen schon wieder formuliert haben, sodass Du sie zu diesem Grade missverstanden hast! Gott, wenn ich bedenke, wie unvollkommen die menschlichen Kommunikationsmittel sind, werde ich von Ehrfurcht ergriffen. Ich stimme Dir natürlich absolut zu, bezüglich der Religion, der Symbole etc. Was ich sagen wollte: Jeder Glaube (und solch eine ist heute die kommunistische Idee, die erste Etappe – die der "Theorie" – hat sie zurückgelegt), jeder Glaube, jeder kollektive Enthusiasmus findet immer neue externe kollektive Wege des Protests, der Bewegung, der Reorganisation. Diesen Weg hat Kommunismus noch nicht gefunden, deswegen übernimmt er die alten Formate vergangener Versammlungen. Du hättest da sein sollen, um zu bezeugen, dass diese Veranstaltung sich auf die Menschenmengen dämpfend ausgewirkt hat, anstatt sie aufzustacheln. Sie wussten nicht wohin, sie wussten nicht, wie sie sich organisieren sollen oder was danach passiert, und lösten sich auf. Diese neue Versammlungsform – hemmungslos, organisch –, die Anfang, Mitte und Ende hat, eine perfekte dynamische Form der Organisation von Massenkundgebungen durch Gläubige, diese Form gibt es noch nicht, die wird es aber mal geben. Das war meine Vision, und darüber habe ich Dir geschrieben. Es gibt keinen, der die alten, derzeit verstorbenen Masken des Göttlichen – die alten Religionen – mehr hasst, als ich. Das neue Gesicht meines Gottes, wie ich Dir oft geschrieben habe, ist ein Arbeiter, der hungert, arbeitet und sich empört. Ein Arbeiter, der nach Rauch und Wein riecht, finster, kräftig, voll Begehren und Durst nach Rache. Er ähnelt diesen alten orientalischen Herrschern mit Schafpelz an den Füßen, mit Doppelaxt am ledernen Gürtel – ein Dschingis Khan, der neue, hungernde Stämme anführt, die Schlösser und Keller der Satten zerstört und den Unfähigen die Harems entreißt. Mein Gott ist streng, voller Leidenschaft und Willen, kompromisslos, unnachgiebig. Diese Erde ist sein Acker, Himmel und Erde sind eins.
Ich verliere mich in keinerlei Metaphysik oder Theorien. Meine Metaphysik ist ein Werkzeug, ein Pflug für diese Erde. Eine Waffe für den modernen Kampf. Gott, könnte ich nur so gut formulieren, was ich in mir habe, damit Du mich fühlen kannst und mich nie wieder falsch verstehst. Es ist meine Schuld. Wenn ich über solche Themen spreche, die mich fürchterlich quälen, denke ich sprunghaft, viele unbekannte Sachen halte ich für bekannt, es brennt in mir, ich verliere die Geduld und kann nicht ruhig reden.
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